Ein Plädoyer für die Kraft der Wut

Weibliche Wut

In unserem letzten Forschungsraum „Hey Weibliche Wut“ gab es einige Teilnehmerinnen, die sich einen anderen Umgang mit ihrer Wut wünschen. Die Fantasie: statt das Kind anzubrüllen, weil es zum dritten Mal vor Hausaufgaben-Frust den Stift durch das Zimmer schmeißt, doch lieber den Chef anbrüllen, der im Meeting seinem Ego wieder freien Lauf lässt.

Unsere Wut hat eine enorme Kraft, eine Energie, die von ganz tief unten kommt und so schnell ist, dass wir sie meist gar nicht steuern können. Sie „übermannt“ uns und schießt wie ein Pfeil, je nach Typ, entweder raus auf andere zu oder in uns selbst. Und diese Kraft möchte uns etwas mitteilen. Sie beabsichtigt, uns darauf hinzuweisen, dass etwas nicht stimmt, dass eine Grenze überschritten wurde, eins unserer Bedürfnisse in arger Not ist.

Aber warum fällt es uns Frauen* so schwer, diese Wut in Situationen zu nutzen, in denen wir wirklich was bewegen könnten?

Wir alle lernen unseren Umgang mit unseren Gefühlen in der Kindheit vor allem durch unsere Bezugspersonen. Da wir als Kind komplett abhängig von ihnen sind, ist das wichtigste für uns, dass die Beziehung zu ihnen nicht gefährdet ist. Das heißt, wenn wir z. B. wütend sind, weil wir in einem Moment eigentlich selbstbestimmt entscheiden möchten und unsere Bezugsperson deshalb verärgert reagiert (das kann laut geäußert werden, aber z. B. auch durch traurig werden und Liebesentzug), dann entscheiden wir uns automatisch für die Beziehung mit dieser Person und nicht für uns und unser Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Wir lernen nicht, mit der Wut umzugehen, sondern uns anzupassen, damit die Beziehung nicht gefährdet ist.

Insbesondere bei Frauen* gilt die Wut als nicht willkommen. Wütende Frauen werden in unserer Gesellschaft oft als zickig, hysterisch oder psychisch krank abgetan (zum Glück gibt es mittlerweile zumindest Diskussionen darum). Wir haben nicht gelernt, unsere Wut zu nutzen, sondern sie zu unterdrücken. Wir haben gar keinen wirklichen Zugang zu ihr und diesen (nicht vorhandenen) Zugang seit unserer Kindheit vielleicht gar nicht mehr hinterfragt oder weiterentwickelt. Deshalb reagieren wir auch heute noch so, wie wir es als Kind gelernt haben.

Um die Wut besser zu verstehen und anders einsetzen zu können, brauchen wir Mitgefühl, Mitgefühl für uns selbst. 

Wenn wir unserer Wut mit diesem liebevollen Wohlwollen begegnen, dann können wir ganz langsam lernen, die Intention der Wut zu verstehen und sie Step by Step besser einsetzen. Das könnte bedeuten unsere Wut eben nicht im Umgang mit unseren Kindern oder Partner:innen rauszulassen, sondern im Meeting aufzustehen und bestimmt und ehrlich, für unser Bedürfnis nach Respekt und Augenhöhe einzustehen.

Image by David Mark from Pixabay 

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