In unserer Reihe “Neustart” treffen wir unterschiedliche Frauen, die es gewagt haben, ihr Leben komplett auf den Kopf zu stellen und neu durchzustarten. Esther Bauer aus Berlin ist eine dieser wunderbaren Frauen. Nach 10 Jahren Selbständigkeit – sie ist eine der Gründerinnen vom Stadtmagazin Himbeer – hat sie eine neue Leidenschaft für ätherische Öle entdeckt und einfach noch einmal von vorne angefangen. Durch Vorträge, Beratungen und Workshops hilft sie Menschen dabei, mehr Gleichgewicht in ihr Leben zu bringen.

Liebe Esther,  ich kenne dich schon sehr lang, da wir in den letzten Jahren im Grunde das gleiche gemacht haben, nur anders. Du hast zusammen mit zwei anderen Müttern das Stadtmagazin „Himbeer“ aufgebaut. Himbeer ist mittlerweile aus Berlin nicht mehr wegzudenken, wenn es um die Freizeitgestaltung mit Kindern geht. Ihr seid ein Team von 15 Leuten und du warst für das Business verantwortlich, hast also mit deinem Team die Geschäfte gemacht, das Geld rangeholt.

Jetzt bist du nach 11 Jahren ausgestiegen. Warum?

Alles was ich mache, mache ich von ganzem Herzen und gebe 100%. Und nachdem ich mich 11 Jahre gemeinsam mit Anja und Claudia um den Aufbau und das Business des Verlages gekümmert habe und ein Team geleitet habe, kam eine Unzufriedenheit auf. Dieser bin ich nachgegangen und habe versucht zu ergründen, worin diese liegt. Als wir gestartet haben, waren meine Kinder fünf und zwei Jahre alt. Ich war meine eigene Zielgruppe. Nun habe ich zwei junge Damen zuhause und die Themen und Interessen haben sich in meinem Leben damit unweigerlich verändert. Inhaltlich hat mein Feuer nicht mehr so gelodert und ich habe gemerkt, dass es noch andere Themen gibt, für die ich brenne. Es war eine absolut persönliche Entscheidung und wir haben uns sehr liebevoll und in Freundschaft getrennt. Tränen gab es trotzdem.

“Ich muss etwas verändern.”

Gab es für dich diesen einen kleinen Moment, wo du plötzlich wusstest, das war es jetzt oder wie hat sich der Prozess des Aussteigens für dich gestaltet?

Als ich merkte, dass meine Gedanken mehr um Öle-Workshops und -Beratungen kreisten, als zu planen was die nächste Titelgeschichte wird oder welche Kooperationen ich für HIMBEER angehen kann, da war klar: Ich muss etwas verändern.

Dann habe ich sofort die Karten auf den Tisch gelegt und meine Partnerinnen informiert. Ich bin ein sehr intuitiver Mensch und die Entscheidung war für mich schnell klar. Ab da hatten wir dann noch sechs Monate Zeit zu organisieren und zu überlegen, wie es nach meinem Ausstieg bei HIMBEER weitergeht.

Hast du parallel schon den Plan B entwickelt?

Ich habe mich bereits die letzten zwei Jahre mit ätherischen Ölen befasst und auch Beratungen und Workshops dazu gemacht, aber eben bis dahin nur abends oder am Wochenende. Dass das wirklich ein echter Job werden könnte, das war nicht wirklich ein Plan. Plötzlich aber war der Entschluss gefasst und und nun bin ich mega happy.

Wie hast du deinem Team erzählt, dass du gehst?

Das war schrecklich. Ich habe es tatsächlich einige Tage vor mir hergeschoben aber wir haben so ein liebevolles, inniges Verhältnis, dass ich es auch nicht zurückhalten konnte. Es gab Tränen, aber auch großes Verständnis. Es hat sich ganz toll angefühlt, dass sie mir einfach nur das Beste wünschen.

Wie gestaltest du deinen Neuanfang wirtschaftlich? Hast du einen Kredit aufgenommen oder nutzt du staatliche Unterstützung?

Ich habe mir für die ersten drei Monate Geld aus der Familie geliehen, aber ab Monat vier wollte ich mit der Selbständigkeit soweit sein, dass ich auf eigenen Beinen stehe. Und es scheint zu klappen.

Wie hast du das in der Partnerschaft mit deinem Mann geregelt? Arbeitest du jetzt mehr oder er?

Mein Mann ist auch selbständig, wir sind also beide flexibel. Ich bin jetzt mehr unterwegs, dann übernimmt er die Versorgung der Teenies. Das war viele Jahre anders, so dass ich es sehr genießen kann und das Gefühl habe, dass ich jetzt mal an der Reihe bin. Wir arbeiten stundenmäßig gleich viel, würde ich sagen. Ich eher schon früh morgens, er dann eher auch abends manchmal.

Hast du seit deinem Neuanfang, also seit Januar auch manchmal Angst, dass es die falsche Entscheidung war? Was machst du dann?

Nein, es fühlt sich total richtig an. Und sollte ich doch mal Muffensausen bekommen, weil das Geld nicht reicht,  kann ich doch immer noch abends kellnern gehen oder so. Arbeiten kann ich. Das haben mir die letzten 25 Jahre meines Lebens gezeigt. Es gibt immer einen Weg.

Dein neues Business ist sehr persönlich. Wie gestaltest du das jetzt in Zeiten von Corona? Geht das überhaupt?

Da hatte ich auch erst Sorge aber dank Zoom und Co. mache ich jetzt meine Workshops und Beratungen online. Das wird sehr gut angenommen. Ich versende die Duftproben per Post, denn ohne das Geruchserlebnis geht es nicht. Und dann riechen wir gemeinsam aber jeder an einem anderen Ort an den Essenzen und tauschen uns darüber aus.

Das Interesse ist größer denn je, denn die Aromatherapie kann uns vor allem emotional ganz toll unterstützen und das ist in diesen wilden Zeiten natürlich Gold wert. Zudem haben einige Leute mehr Zeit nach sich zu schauen, zu spüren was sie brauchen oder was ihnen fehlt. Da komme ich dann ins Spiel!