Wir haben uns auf ein Experiment eingelassen und sind aktuell noch mittendrin – im Nachdenken über die ‚weibliche Wut’, die wir als ersten Fokus für Hey Me gewählt haben.
Das Thema scheint aktuell in der Luft zu liegen und ich hatte Lust, mit dem Buch „Wut und Böse“ von Ciania-Sophia Hoeder einzusteigen. Ist auf jeden Fall eine Leseempfehlung!
Nina hat mit ihrer Mutter über das Thema „Wut“ gesprochen und Louise u.a. über ihre Kindheit und über Britney Spears nachgedacht. Ihren Artikel findest du hier.
Um zu dritt einen Zugang zum Thema zu finden, haben wir uns gegenseitig interviewt und uns u.a. die Fragen gestellt, wie sich jeweils unsere Wut zeigt und wie wir mit unserer Wut umgehen.
Nina, wie zeigt sich Wut bei dir? Und wie gehst du mit deiner Wut um?
Meistens ärgere ich mich zuerst, meine Gedanken kreisen nur noch um eine Sache, rational komme ich da nicht mehr ran. Wenn dann noch der bekannte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt, dann schießt die Wut wie ein Blitz in mich rein, es ist, als ob sich Rollladen vor mir schließen. Ich bin wie in einem Tunnel, bekomme nichts mehr mit und tobe innerlich wie äußerlich. Ich werde laut, lasse alles raus, über das ich mich geärgert habe, sage auch mal Dinge, für die ich mich im Nachhinein manchmal schäme. Mein ganzer Körper ist angespannt und ich glaube, mein Gesichtsausdruck ist furchterregend, ich sehe aus wie ein Hexe (das wurde mir zumindest mal so gespiegelt). Meine Wut geht meistens ins Außen, ich bin mir zunächst keiner Schuld bewusst, der Auslöser ist jemand anderes und der/die bekommt es nun auch zu hören.
ABER!!! Meine Wut hat mir oft unheimlich geholfen. Sie hat mich unterstützt, Grenzen zu setzen, mich zu wehren, Ungerechtigkeiten zu äußern und wachzurütteln. Trotz einiger wütender Momente, für die ich mich im Nachhinein geschämt habe und mich entschuldigen musste, habe ich die Wut nie als etwas Negatives gesehen, sondern als eine Kraft, die mich unterstützt und die mich auf ganz viel hinweisen will.
Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass ich mit der Achtsamen Kommunikation eine Methode gefunden habe, mit der ich meine Wut genauer anschauen kann. Hinter der Wut verbergen sich so viele andere Gefühle, die gehört und gesehen werden wollen. Ich kann die Wutausbrüche zwar nicht verhindern, aber ich kann mich zumindest danach um die eigentlichen, tiefer liegenden Gefühle und Bedürfnisse kümmern.
Seit wir uns bei Hey Me mit der Wut beschäftigen, frage ich mich, ob sie überhaupt ein Gefühl ist oder einfach eine mega Energie!
Louise findet folgende Worte für ihre Wut
I am a person that loves and searches for harmony. Sitting under a tree in the woods is my happy place. Anger for me is a form of desperation needing to get out. And if I’m not seen and heard in that then the anger has occasionally even caused panic attacks.
So when we picked anger as our first theme to explore, I got really exited because I connect my anger to something that is really important to me, and that’s equality. Equality is me being allowed to be my authentic self. But in the unjust and inhumane system we are living in, it is hard to live our soul-purposes. Some never make it. That pisses me of even thinking about it.
When I reconnect with my anger afterwards, because like most, when it happens it just happens, as if you switch the lights off, BAAM. Darkness. I often feel my soul in a huge conflict with my mind. My mind wants me to play it safe, wanting me to adapt and fit in. Play by the book. My anger thinks the book sucks and wants to write a new one.
Anger mostly happens when I feel my mind is really trying to erase “me” completely and society is clapping along. That’s the desperation I mentioned before. I feel unseen and unheard and totally misunderstood. And lonely. A voice in side yells: CAN’T YOU SEE ME?
For me, it’s always been a bit of “the classic” scenario; issues where I wouldn’t speak up when I felt something was off, or be clear on my boundaries, unsuccessful attempts of “let things go”.
When deep wishes and values were left unmet or overrun, “the pot would boil over”. An internal explosion that lasts for quite long. It’s not easy to get me to this place, so if you manage, it will be just as hard to get me back. Actually, sometimes you don’t. No matter the number of excuses; I would forgive, but occasionally I didn’t really see a purpose in continuing a relationship.
The deep connection I feel my anger has with my soul and with my values makes my anger quite important to me. I trust my anger 100%. And it motivates me to work for change and a society where it’s more important to explore our skills and purposes than to fit in, play by the book and fit the norm.
Alice wie zeigt sich deine Wut? Wie gehst du mit ihr um?
Ich bin mit mir selber ziemlich ungeduldig und wenn etwas nicht direkt klappt, steigt in mir ein Gefühl der Wut auf. Da ich Angst vor diesem Gefühl habe, beziehungsweise eigentlich davor, dass dieses Gefühl mich übermannt, gehe ich dann ziemlich schnell raus aus der Situation.
Vor dem Interview mit Nina und Louise habe ich über meine Wut nachgedacht und mich an eine Situation aus der Kindheit erinnert, ich war gerade in die fünfte Klasse gewechselt und ich konnte meine Mathehausaufgaben nicht lösen. Ich habe mich so dumm, verloren und ungenügend gefühlt. Ich glaube noch heute wird in manchen Situationen etwas von damals in mir reaktiviert. Ich will lernen, meine Wut zuzulassen. Und ich will lernen meine Wut zu nutzen.
Ciani-Sophia Hoeder hat das in „Wut und Böse“ so eindrücklich geschildert; 2017 zog die Alternative für Deutschland in den Bundestag ein und sie schreibt, dass seit dem eine Zunahme des Rassismus in Deutschland erkennbar sei. Es gebe ein Magazin für UFOs, zwei für Weihnachtsbäume und das MEAT. Sie schreibt: „In dieser Gesellschaft also, in der UFOs, Bäume und selbst totes Fleisch relevanter sind als Schwarze Menschen, realisierte ich, dass niemand eine Lösung schaffe, es sei denn, ich würde es selber machen.“ Sie war wütend und nutzte den Drang nach Veränderung, um das RosaMag, das erste Livestyle Magazin für Schwarze Menschen in Deutschland, zu gründen.
Wenn ihr weiterlesen oder tanzen wollt:
Sachbücher:
Ciani-Sophia Hoeder: Wut und Böse
Soraya Chemaly: Speak out! Die Kraft weiblicher Wut
Roman:
Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt
Comic:
Anna Geselle: Furiositäten. Ein Comic über weibliche Wut
Artikel:
Kristina Appel: Weibliche Wut: Warum sie die Welt verändern kann.
Julia Korbik: Die Wut steht ihr gut, oder: Warum wütende Frauen
Keine Lust zu lesen? Alles zu verkopft?
Dann hilft unsere Playlist!
Foto von: Andrea Cassani on Unsplash
WUT - WORKSHOP
HEY WEIBLICHE WUT
29. Juni 2022 von 19.00 -21.30 Uhr
Online via Zoom
Deine Wut ist kraftvoll: sie kann dich zum Beispiel auf unerfüllte Bedürfnisse hinweisen. Sie ist aber auch eine Kraft, die du nutzen kannst, wenn du Dinge verändern möchtest…